Bis die Gestapo kam … Das Chinesenviertel in Hamburg
Am 8. Mai jährte sich zum 80. Mal die Befreiung der Welt vom deutschen Faschismus. Ein wichtiger Kriegsschauplatz war dabei auch China, das von dem mit NS-Deutschland und Italien im Drei-Mächte-Pakt verbündeten Japan überfallen wurde. China hatte im Zweiten Weltkrieg nach der Sowjetunion die zweitgrößte Opferzahl zu beklagen. Mehr als zehn Millionen chinesische Zivilisten und dreieinhalb Millionen Soldaten verloren ihr Leben. Eine Fernwirkung des Kriegs war auch in Hamburg zu spüren, wo die Chinesen als feindliche Ausländer verfolgt wurden. Um an die Geschichte des von den Nazis zerstörten ehemaligen Chinesenviertels in Hamburg zu erinnern, haben wir einen Dokumentarfilm gezeigt, der an das Viertel rund um die Schmuckstraße in St. Pauli und seine Bewohner*innen erinnert.
Bis die Gestapo kam … Das „Chinesenviertel“ in St. Pauli
Bertram Rotermund und Rudolf Simon, D 2020, 60 min
Dienstag, 18. März 2025, Fux Lichtspiele (drei Vorführungen)
Gäste: Filmemacher Rudolf Simon, Historiker Lars Amenda sowie Gunhild Ohl-Hinz vom St.-Pauli-Archiv.
Weitere Infos zum Film mit Trailer und Besprechung in der „taz“ unter: https://www.rotermundfilm.de/?page_id=882
Mitten auf dem Hamburger Kiez, zwischen Talstraße und Großer Freiheit, gab es bereits in den 1920er-Jahren ein „Chinesenviertel“. Nach dem Ersten Weltkrieg hatten sich dort einige Hundert Chinesen, meist ehemalige Seeleute, niedergelassen, mit kleinen Läden, Wäschereien und Gaststätten im Souterrain. Von den Behörden wurden sie meist argwöhnisch beobachtet und als fremdartig oder gar bedrohlich wahrgenommen. Polizeiaktionen und rassistische Diskriminierung waren an der Tagesordnung.
Während des Nationalsozialismus wurden die Hamburger Chinesen zunehmend verfolgt, interniert oder ausgewiesen. Beziehungen zwischen Chinesen und deutschen Frauen waren verboten und wurden bestraft. Nachdem sich das Deutsche Reich seit Dezember 1941 offiziell im Kriegszustand mit China befand, kulminierte die Verfolgung chinesischer Staatsangehöriger in Hamburg am 13. Mai 1944, als die Gestapo die sog. Chinesenaktion durchführte. Bei Razzien wurden 130 chinesische Männer festgenommen und im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel schwer misshandelt. Im Anschluss wurden 60 bis 80 von ihnen im Arbeitserziehungslager „Langer Morgen“ in Wilhelmsburg zur Zwangsarbeit verpflichtet. Hier starben an den unmenschlichen Lebensbedingungen und an willkürlichen Misshandlungen mindestens 17 Menschen. Das Wachpersonal des Arbeitserziehungslagers wurde von der Viktoria-Kaserne gestellt und ausgebildet, wie der Historiker Martin Reiter im Rahmen seiner Magisterarbeit zum AEL Wilhelmsburg herausgefunden hat. Es ergibt sich also ein unmittelbarar Zusammenhang mit der Nutzungsgeschichte dieses Hauses.
So bedeutete der Nationalsozialismus auch das Ende des „Chinesenviertels“ auf St. Pauli. Den Überlebenden wurde nach 1945 eine Entschädigung verweigert. Nur wenige Betriebe – wie die Hong Kong Bar in der Straße Hamburger Berg, die nach dem Tod des Gründers Chong Tin Lam von dessen Tochter Marietta Solty weitergeführt wurde – blieben nach 1945 erhalten. Heute erinnert eine Gedenktafel an das ehemalige Quartier. 2021 wurden am gleichen Ort 13 Stolpersteine für chinesische Männer, die in NS-Lagern ums Leben kamen, verlegt.
Der Film begibt sich auf Spurensuche und lässt Zeitzeug*innen zu Wort kommen, die eindrücklich von ihren Erlebnissen und Erinnerungen an die chinesische Community in St. Pauli während der Kriegs- und Nachkriegszeit berichten.
© Foto: Rotermundfilm