rolfkerstin
17.09.2017

Die fux-Architekten im Interview: „Da hat früher nie eine Behörde draufgeguckt.“

Gute Nachrichten für unsere Außenhaut: Bei der Sitzung am 13.9. hat die Hamburgische Bürgerschaft auf Initiative von Rot-Grün beschlossen, der fux eG 600.000 Euro aus Mitteln des Sanierungsfonds der Bürgerschaft für die Sanierung unserer denkmalgeschützten Fassade zur Verfügung zu stellen. Der Zuschuss aus Hamburg ist Teil einer Gesamtmaßnahme -von 1,68 Mio Euro, weitere 600.000 Euro werden aus dem Kulturetat des Bundes kommen. Die restlichen Kosten trägt die fux eG. Unsere Architekten Kerstin Scheffel und Rolf Königshausen vom Büro KSRK sind seit 2015 mit der ehemaligen Viktoria-Kaserne beschäftigt. Die anstehende Fassadensanierung ist eine gute Gelegenheit mit ihnen über ihre Arbeit zu sprechen.

Fux: Es hat in den letzten Tagen in Strömen geregnet. Macht ihr euch Sorgen um die Fassade der Kaserne?

Rolf Königshausen: Sehr große Sorgen! Wir waren während des starken Regens auf dem Dach West, das was neu gebaut werden soll, und wo Räume für die Kurzfilmagentur entstehen werden. Da regnet es durch die Wände durch! Nicht etwa durch’s Dach, durch die Wand durch.

Kerstin Scheffel: Das heißt, wir machen uns nicht nur Sorgen um die Fassade, sondern an einigen Stellen auch um die dahinterliegenden, frisch sanierten Räume.

Königshausen: An manchen Stellen im Westen des Gebäudes fällt der Putz von der Wand, weil von hinten Wasser kommt. Das liegt am extrem bedauernswerten Zustand der Backsteinfassade.

Fux: Das heißt, die anstehende Sanierung der denkmalgeschützten Fassade ist überfällig. Was muss gemacht werden?

Scheffel: Wir müssen die Fassade einrüsten, dann die Fugen freikratzen – das geht nur per Hand, weil die Fugen so eng sind, da kommt man nicht maschinell ran. Wir müssen die Steine teilweise ersetzen – zum Teil müssen wir sie neu brennen lassen, weil es sie so nicht mehr gibt. Und zu Schluss müssen wir neu verfugen – auch per Hand. Es gibt kaum eine Stelle, wo wir das nicht machen müssen. Deshalb ist es auch so teuer, weil es so viel Arbeitszeit kostet.

Fux: Wie lange hält so eine sanierte Fassade?

Scheffel: Wenn das richtig gemacht ist, dann hält das für die nächsten hundert Jahre.

Fux: Die ehemalige Viktoria-Kaserne ist seit 2010 Denkmal, die fux-Genossenschaft hat sie 2015 gekauft. Hat die Stadt in diesen fünf Jahren keine Instandhaltung vorgenommen?

Rolf Königshausen: An dem Gebäude ist nie was gemacht worden. Und was gemacht wurde, ist unfassbar. Wir haben Fugen gefunden, die wurden mit Silikon ausgefüllt. Überhaupt ist dieses Denkmal von der vorherigen Besitzerin, die Freie- und Hansestadt Hamburg, auf 110 Prozent Verschleiß gefahren worden. Hier ist nichts reingesteckt worden. Alle Nutzung, die hier stattgefunden hat, war ohne Genehmigung, da hat früher nie eine Behörde drauf geguckt. Man hat auch keine Dokumentation von Umbauarbeiten gemacht. Die Siele wurde nicht gepflegt, stattdessen hat man das Gebäude mit Kanälen und Luftschächten durchlöchert.

Fux: War euch das nicht bereits klar, bevor die Genossenschaft die Kaserne gekauft hat?

Rolf Königshausen: Nun ja, es gab dieses Gutachten, das die Stadt mit dem Verkauf der Kaserne an die fux eG übergeben hat. Das ist ein echtes Mauerwerksgutachten, das damals die Steg gemacht hat – die Fugen, die Steine, die haben einmal alles komplett untersucht.

Fux: Und was stand da drin?

Rolf Königshausen: Zusammengefasst stand da drin, dass in erster Linie der Fugenmörtel, aber auch der Lagermörtel, seiner Aufgabe nicht mehr gerecht werden, weil sie über die 130 Jahre alt sind und seinerzeit mit einem ganz geringen Zementanteil eingebaut wurden. Weil der Mörtel sehr weich ist, kann die Feuchtigkeit sehr schnell durchziehen.

Fux: Das heißt, die Genossenschaft hätte bei Kauf wissen müssen, wie kaputt das Gebäude ist?

Kerstin Scheffel: Nein. Wie schlimm es um die Fassade steht, sieht man erst, wenn man auf einem Gerüst steht und die einzelnen Fugen untersucht. Manchmal sehen sie äußerlich noch ganz hübsch aus, aber wenn man einmal ein bisschen dran bröselt, dann fällt alles zusammen. Das konnten wir allerdings erst nach dem Kauf feststellen – also wir das Gebäude eingerüstet hatten.

Rolf Königshausen: Über das Ausmaß dieses Schadens hätte man sich vorher, ohne Nutzung, nicht im Klaren sein können.

Fux: Auch nicht darüber, dass Mauerwerk und Balken im Osten des Gebäudes zum Teil mit Schwamm befallen sind?

Kerstin Scheffel: Ihr hättet ja nicht die Decken aufmachen können, um zu nachzusehen, ob da ein Schwammschaden ist.

Rolf Königshausen: Die Stadt allerdings muss Kenntnis von diesem Schwamm gehabt haben– es gibt Fotos, die im Zuge eines dieser Gutachten erstellt wurden, die diesen Schwammschaden dokumentiert haben.

Fux: Wie bitte?

Rolf Königshausen: Ja, es gibt ein Gutachten von 2011, das im Auftrag der Stadt gemacht wurde, dort gibt es Fotos, auf denen der Schwamm zu sehen ist. Er ist im Text nicht benannt, sondern nur auf den Fotos – aber wenn man’s weiß, erkennt man’s.

Fux: Man hat weggeschaut, wo man hätte hinschauen müssen?

Rolf Königshausen: Schwamm hat, wenn er Holz befällt, eine sehr typische Erscheinungsform, der sogenannte Würfelbruch. Jeder Zimmermann erkennt Schwamm, jeder Rohbauer mittlerweile auch, da muss man kein ausgewiesener Holzfachmann für sein.

Fux: Aber wenn in einem Gutachten dokumentiert ist, dass Schwammbefall besteht, dann hätte die Stadt das doch umgehend sanieren müssen, oder?

Rolf Königshausen: Das ist richtig. Ich will der Finanzbehörde, genauer gesagt dem Landesbetrieb Immobilien und Gewerbe, nicht Arglistigkeit unterstellen beim Verkauf. Womöglich sind einfach die entsprechenden Informationen nicht geflossen. Die Stadt ist ja vielgesichtig: Es gibt die Finanzbehörde als Eigentümer, es gibt die Sprinkenhof AG als Verwalterin, es gibt die Uni als Nutzerin, es gibt Bauabteilungen. Jeder macht sein Ding, niemand redet mit dem anderen und keiner dokumentiert irgendwas.

Fux: Hat die Stadt nicht vorbildhaft mit ihren Denkmälern umzugehen? Gerade ein Schwammbefall ist doch etwas Hochgefährliches für so ein Baudenkmal. Ist das nicht eine Ordnungswidrigkeit?

Rolf Königshausen: Das ist auf jeden Fall ein Schaden, der im Falle des Verkaufs einer Immobilie zurückabgewickelt werden müsste. In jedem normalen Notarvertrag steht nach meiner Kenntnis die Frage drin „Haben Sie Kenntnisse über Schwamm oder ähnliche Probleme am Haus?“. Wenn du den nachher findest, und du kannst rekonstruieren, dass der Vorbesitzer davon Kenntnis hatte, dann ist der für den Schaden verantwortlich.

Fux: Wie gefährlich war der Schwamm für die Gebäudesubstanz?

Rolf Königshausen: Der Schwammbefall hat sich auf den Ostflügel beschränkt. Inzwischen haben wir das saniert.

fux: Was habt ihr noch an größeren Schäden am Gebäudes festgestellt?

Rolf Königshausen: Ein Riesenschaden war das Absacken der Anbauten – Die ehemaligen Latrinenanbauten waren dabei, sich von dem Gebäude abzureißen.

Kerstin Scheffel: Oben waren sie schon abgerissen, muss man sagen.

Rolf Königshausen: Da mussten wir eine relativ massive Fundamentierungsmaßnahme vornehmen. Die ist inzwischen abgeschlossen.

Fux: Das war aber was, was man wahrscheinlich vorher auch schon sehen konnte, oder?

Rolf Königshausen: Ja und Nein. Ein Riss ist erstmal ein Riss. Was der für Ursachen hat und ob das ein Krakeel-, ein Putz- oder ein Mauerwerksriss ist, ist ziemlich schwer festzustellen. Dafür musst du bauteilzerstörende Maßnahmen durchführen. Und das ist dir ja nun nicht gestattet, wenn du das Gebäude nicht besitzt.

Fux: Hat die Stadt im Grunde auf den Verfall des Gebäudes gesetzt, um es abreißen zu können?

Kerstin Scheffel: Sagen wir es so: Irgendwas hätte passieren müssen, wenn man noch Interesse gehabt hätte, die Kaserne zu erhalten

Fux: Wir haben sehr viel über die Schäden gesprochen. Sagt doch mal was Gutes über das Gebäude!

Rolf Königshausen: Es hat eine hohe Resilienz, das muss man sagen. Es hält durch seine schlichte Solidität, durch das einschalig komplett durchgemauerte Mauerwerk, ohne Luftschichten, das hilft natürlich. Und es hat schon sehr viel ertragen – so oft, wie es überformt und repariert angeglichen wurde. In seiner ganzen Starrheit hat es eine hohe Flexibilität.

Fux: Was interessiert euch an dem Projekt? Architekturpreise könnt ihr damit doch eher nicht gewinnen.

Kerstin Scheffel: Wenn wir große, schicke Anbauten entwerfen würden, könnte man mit so was bestimmt Preise gewinnen. Die Herausforderung hier besteht allerdings in erster Linie darin, die unterschiedlichen Nutzungen hinzukriegen, ohne dem Gebäude Gewalt anzutun. Das ist eine Gratwanderung, aber das ist auch der Charme des Ganzen. Und ich finde, dieses Gebäude hat so viele blöde Zeiten erlebt, dass es einfach verdient hat, nochmal positiv genutzt zu werden. Das steht ihm einfach zu.

Fux: Jetzt ist das ja ein Prozess, auf den ihr euch eingelassen habt, als Architekten, als Planer, in dem nicht ein Bauherr mit einer Stimme spricht, sondern ein Haufen von Leuten total unterschiedliche Raumbedürfnisse hat, Entscheidungen in langen Debatten oftmals getroffen werden. Wie kommt ihr mit so was klar? Das nervt doch auch manchmal, oder?

Rolf Königshausen: Das Schöne an dem Gebäude ist, dass man es kennen lernen muss. Dass es immer wieder Aspekte auftauchen, die man nicht erwartet. Wenn wir am Anfang gewusst hätten, was wir heute wissen, hätten wir von einigen Nutzungen sicherlich auch stark abgeraten. Der Spagat zwischen dem, was das Projekt alles braucht, und dem, was das Gebäude ist, ist ja relativ groß. Aber Kerstin und ich haben, glaube ich, eine relativ hohe Identifikation mit solchen Prozessen. Wir haben auch Erfahrungen damit.

Fux: Welche Erfahrungen waren das?

Rolf Königshausen: Ich habe z.B. über mehrere Jahre Quartierssentwicklung gemacht und dort gelernt zu moderieren und auszugleichen, also viele Interessen unter einen Hut zu kriegen. Und ehrlich gesagt: Zwei Bauherren und drei Meinungen, das ist nichts Ungewöhnliches.

Fux: Die fux-Baustelle ist ja eine besondere – hier arbeiten viele Genossinnen und Genossen mit und wir integrieren Geflüchtete aus der Lampedusa-Gruppe in die Baustelle. Ist das für euch als Architekten nerviger als wenn wir alles an Fremdfirmen vergeben würden? Oder macht es auch Spaß?

Rolf Königshausen: Ich glaube, dass es in der Tat eine Identität stiftende Wirkung hat nach innen und dass das auch euch entspricht, wie ihr das macht. Und dass es deswegen auch richtig ist, auch wenn Eigenleistung länger dauert. Und es hat Vorteile, weil wir im Bestand sanieren können – die, die nutzen und die die auf der Baustelle arbeiten, sind alle auf einer Augenhöhe, das sind keine Fremden. Das hilft. Und im Sinne einer sozialen Schmiere ist das total super.

Fux: Etwas weniger höflich ausgedrückt: Wir verstehen uns alle gut auf der Baustelle – aber dafür ist es unwirtschaftlicher?

Rolf Königshausen: Nein, es ist schon so: Die Tatsache, dass Eigenleistung zum Teil länger dauert wird ja auch dadurch kompensiert, dass sie günstiger ist.

Fux: Thema Mauerwerk und Feuchtigkeit in den Kellern: War das vorher abzusehen?

Rolf Königshausen: Bei Baujahr und Bauweise kannst du davon ausgehen, dass Feuchtigkeit in den Kellern ist. Es gab damals keine äußere Abdichtung, wenn es eine gegeben hätte, wäre sie defekt mittlerweile. Was man aber auch sagen muss: Die Vorbesitzerin, also die Stadt Hamburg, hat den Zustand solange gewähren lassen, bis er wirklich sehr kritisch wurde. Ich kann mich da nur wiederholen: Die Stadt Hamburg ist mit diesem Gebäude in einer unverantwortlichen Art und Weise umgegangen.

Fux: Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Christoph Twickel. Fotografiert hat Jakob Börner